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Das Streben nach Unendlichkeit

Die Sehnsucht nach Unendlichkeit ist ein Teil von mir seit ich denken kann. Vielleicht hätte ich es nicht immer als dies bezeichnet, vielleicht habe ich am Anfang einfach nicht die Grenzen akzeptieren wollen, oder sie haben mir einfach nur weh getan. Ich kann mich an meinen Drang nach Freiheit, nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit erinnern, der „schon immer“ da war. An Widerstand, Unverständnis und Ohnmacht. Ich bin naturnah aufgewachsen und habe als Kind schon Stunden auf Bäumen verbracht, auf einem Ast liegend und in die Weite des Himmels starrend. Bin dabei einfach in die Unendlichkeit des Blaus eingetaucht. Nachts habe ich davon geträumt, dass ich fliegen kann. Habe mich vom Boden erhoben, bin in der Luft gelaufen und über den Baumkronen geschwebt.

Das Leben auf diesem Planeten ist endlich. Das sehen wir in dem Prozess des Werdens und Sterbens.  Wobei wir in der beschränkten, materialistischen Denkweise darin einen Anfang und ein Ende sehen und weniger einen Zyklus. Die Fortpflanzung erhält das Leben, indem immer neue Samen heranwachsen zu Pflanzen, Tieren, Menschen. Natürlich gibt es dadurch Erneuerung und natürlich gibt es kosmische Zyklen, aber sie sind immer auf die Materie beschränkt. Auch besteht das Verständnis, dass der Planet Erde grundsätzlich „erneuerbar“ ist. Allerdings werden Seele und Geist immer noch ausgeblendet. Wenn die Seele bei den Menschen kaum zu verneinen ist, wird der Geist auf einen Prozess des Verstandes reduziert. Die kirchlichen Institutionen gehen da etwas weiter. Da gibt es einen Geist, der aus dem Diesseits ins Jenseits geht. Zyklen, wie die Wiedergeburt kommen nur in der Mystik vor und in den östlichen Religionen. 

Was passiert nun, wenn wir uns auf die feste Materie beschränken, auf das Sicht- und Messbare und trotzdem diesen Drang nach Unendlichkeit in uns tragen, den uns Seele und Geist ermöglichen, er für uns als Mensch auf diese Erde aber nicht realistisch ist? Ganz einfach, es entsteht das heutige Weltbild, die heutige Gesellschaftsform, eine auf die Materie begrenzte (technologische) Entwicklung, viele offenen Fragen, Wünsche, Träume, Visionen, Widersprüche, Ängste, Mängel und Kämpfen, die innerhalb dieser Grenzen stattfinden. Der grösste, mächtigste Mensch der Welt, strebt immer weiter nach Grösse, Besitz, Macht, um diesen Drang in sich zu stillen, den er spürt und bei jeder „nächsten Stufe“ die er erreicht, wird er das Gefühl immer noch nicht los, dass er noch nicht alles erreicht hat, was möglich ist. Seine Sehnsucht treibt ihn weiter, wie einen Süchtigen und die nächste Ersatzdroge kann ihn auch nicht befriedigen. Auch wenn wir uns immer wieder mit den anderen Menschen vergleichen und feststellen, wir sind ihnen überlegen, gibt es immer noch etwas Grösseres über uns, das wir spüren, das auf geistiger Ebene (nicht Verstand) wirkt und wir kommen uns klein und verloren vor. Die Verbindung dazu, werden wir aber erst herstellen können, wenn wir uns unserem inneren, geistigen Wachstum widmen und die Ersatzdroge des materiellen Wachstums loslassen. 

Dafür braucht es einen Bewusstseinswandel, ein Bejahen des Geistes, welcher über der Materie steht und die Überwindung der Glaubenssätze, die auf der reinen materielle Wahrheit beruhen, welche ein Menschenbild zeigt, das sichtbar und spürbar ist und dessen Nutzen rein auf den Nutzen in dieser Gesellschaft reduziert wird. Hier eine Anmerkung zu unserem Sozialsystem: Auch die Akzeptanz, Anerkennung und Unterstützung des Schwachen in unserer Gesellschaft, indem wir ihm einen Platz geben, ein gutes Leben ermöglichen, basiert auf einer Wertung von schwach und stark und einem Urteil über schicksalhafte oder schmarotzerischen Nutzlosigkeit. Der Wert des Menschen wir darüber bestimmt, was er ist und nicht, dass er ist. Bei Letzterem wären wir plötzlich alle gleich wertvoll, weil die Wertung wegfällt.

Das materielle Wachstum, die materielle Entwicklung ist technologisch und geht in die Horizontale. Mit dieser Richtung haben wir die Ausbeutung und Zerstörung des Planeten erreicht, was das Leben von nachfolgenden Generationen an Pflanzen, Tieren und Menschen auf diesem Planeten in Frage stellt. Die einzige, senkrechte Entwicklung, die wir anerkennen, das weil sie uns dient, ist die Erhebung des Menschen über alle anderen Wesen diese Erde und über die Erde selber. Aber auch in dieser Richtung haben wir uns auf die materielle Ebene beschränkt.

Natürlich möchte ich hier keinesfalls alle über einen Kamm scheren. Wir Menschen bilden eine Gemeinschaft auf diesem Planten und aktuell ist daraus eine Konvention, ein Gesellschaftssystem entstanden, dass sich wie oben dargestellt verhält. Das bedeutet, dass es viele gibt, die dieses geformt haben, stützen und hinnehmen, etliche gibt, die das Beste daraus machen, obwohl sie anders empfinden und einige, die anders denken und ständig an den eigenen Bewusstseinsgrenzen arbeiten und an denen der anderen rütteln. Die Zeiten der Verfolgung und Unterdrückung sind beinahe vorbei. Andersdenkende, die andere Wege gehen, werden heute nicht mehr geköpft. Jene die das System lauthals hinterfragen, werden zwar grösstenteils auch nicht mehr geköpft, aber sie werden immer noch verleumdet, ausgelacht, und wenn es gefährlich wird, wird ihnen mit der Entziehung der Überlebensgrundlage gedroht. Die einen beeindruckt das mehr, die anderen weniger. Das Bewusstsein verändert sich in den letzten Jahren sehr stark im Streben nach Unendlichkeit. Es gibt immer mehr, welche die horizontale Entwicklung hinterfragen und sich auf den Weg der vertikalen Entwicklung machen. Sie öffnen sich der Unendlichkeit der geistigen Welt und lernen sich immer besser darin zu bewegen und die Grenzen zu weiten. Das bringt immer mehr Weisheit, Freiheit, Zuversicht und Vertrauen. Die Endlichkeit bekommt klare, spürbare, fassbare und beweisbare Löcher. Das Streben nach Unendlichkeit findet Erfüllung. Es entfaltet sich eine neue Freude im Leben, die unabhängig ist von der materiellen Welt. Wir verspüren eine grosse Kraft, diesen Weg weiter zu gehen, egal welchen Aufgaben/Schwierigkeiten unterwegs auftauchen. Und genau das ist der Weg des Wandels, den wir gehen können, damit wir einen Wandel des Lebens auf diesem Planeten erreichen. Der Transformationsprozess des Einzelnen ist die Voraussetzung für die gesellschaftlichen und systemischen Transformation und zieht diese nach sich. Das System selber wird sich nie verändern können, ohne die senkrechte Bewusstseinsentwicklung der Menschen, die es bilden. Wenn die kritische Masse an Menschen mit einem neuen Bewusstsein erreicht ist, wird das System kippen, sich wandeln und die Transformation weitet sich auf alle anderen aus.  

Die Befreiung von der Abhängigkeit der Materie als Segen und Fluch erreichen wir nur durch die Anerkennung der Unendlichkeit des Geistes. Einstein sagte schon: „Das Universum ist geistig.“ Wir sind unendliche, geistige Wesen, verbunden durch den grossen Geist des Universums. Lasst uns danach streben und leben und unserer Seele diesen Frieden schenken.

Samstag, 18. April 2015

Sieglinde Lorz